Kerstin Hengevoss-Dürkop
Text zur Einführung der Ausstellung:
»…mir bekannte Frauen - eine männliche Perspektive«
von Peter Wehr in der Galerie Hengevoss-Duerkop, 30.10. 2017

 

Zwischen Und so ähneln sich im Wesen alle diese Frauen auf die eine oder andere Weise. Worte und Halbsätze verlebendigen die Dargestellten. „Wozu Ohrringe?“ wenn das Charisma und die Kraft der Dargestellten solchen Schmuck nicht nötig hat. „Kinder? Zuerst!“, auch wenn sie damals die Kraft so offensichtlich raubten. Es sind flüchtige Worte und Sätze, die die Sicht des Künstlers auf das Schicksal Frau zu sein, widerspiegeln, damals, in der Zeit seiner Jugend, wie heute. Die vorgeführte Perspektive ist nicht von Klischees über weibliche Schönheit geprägt und handelt von keinen männlichen Fantasien. Sie zeigt sich schonungslos und beleuchtet doch ungewöhnlich einfühlsam Frauen, die – wie Peter Wehr zurückhaltend formuliert, ihm bekannt sind.

Den Frauenakten stehen Gemälde von Landschaften gegenüber. Es sind die dunklen, kahlen, steinigen Gebirgszüge und Felder von Fuerteventura, die das Ergebnis von einstigem Raubbau sind und in besonderen Lichtstimmungen dargestellt sind. Die Werke sind in den 90er Jahren in Fuerteventura entstanden, der ehemaligen Kornkammer der Kanaren, wo Peter Wehr die Hälfte des Jahres verbringt. Schon hier spielten Worte und Satzfetzen eine Rolle, die die Malerei in Schwingungen versetzt:  „der Wind, der singt“ „nach der Hitze des Tages, Wind aus dem Norden“, „alles ohne Regen“. Peter Wehr erspürt die Schönheiten dieser Landschaften in Wort und Bild und versucht eine veränderte Bewusstseinslage der Wahrnehmung von Natur sichtbar zu machen.
Peter Wehr, geb. 1934 in Lübeck, studierte an der HfbK in Hamburg und der Akademie für bildende Künste in Stuttgart. 1969 bis 1994 Professur für Gestaltung an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Lebt und arbeitet als Grafiker und freier Künstler in Hamburg und Fuerteventura. Ausstellungen ausschließlich in öffentlichen Häusern, u.a. (2014) „Fabrik der Künste“, (2010) Casa de los Coroneles, La Oliva, Fuerteventura, (2005) Hamburger Kunsthalle, (2003) El Cotillo, Fuerteventura, u.a.

Als Bilder der „Zwänge, der Verkrampfungen, der Ängste, der Bedrohungen“ hat Uwe M. Schneede die Arbeiten von Peter Wehr beschrieben. Und tatsächlich ist man versucht, den Künstler auch mit Blick auf seine neuesten Werke als einen Meister solcher Bildentwürfe zu bezeichnen.
Die von Schneede beschriebenen Werkgruppen zeigen männliche Akte, die teils vor hellem Blatthintergrund teils in bergiger Gegend agierten. In den neuesten Arbeiten handelt es sich um Frauenakte im Halbfigurenporträt vor farbigem Hintergrund. Wieder findet man das gestrichelte schwarze Inkarnat, aber mit stärker betonten Umrisslinien sowohl der Gestalt als auch von Körperteilen. Weitere Kolorierungen mit Rot und Weiß verdichten den Eindruck, dass hier das Innere und Äußere gleichsam sichtbar ist, dass das emotionale Geflecht wichtiger wird, als die tatsächliche Erscheinung. Es sind charismatische Frauen, mit ausdrucksvollen großen Augen, die in einer Mischtechnik u. a. mit Ölstiften und Pastell auf Leinwand gemalt sind, die Hände knochig, manchmal gichtig und abgearbeitet, die Haut sonnenverbrannt, die Zähne zwischen Lächeln und Grimassieren.

Der Ausstellungstitel „Mir bekannte Frauen“ weist auf einen autobiographischen Hintergrund hin. Dabei betont der Zusatz „Eine männliche Perspektive“, dass hier anders als bei den Männergestalten, bei denen persönliche Erlebnisse ebenfalls eine maßgebliche Rolle spielten, der Ausgangspunkt der eines Außenstehenden ist, er betont den Blick auf das andere Geschlecht und meint damit grundsätzliche Überlegungen über Frauen. Es geht um die Mutter, die Schwester der Mutter, die Großmutter und andere Frauen. Dabei wurde nicht Porträthaftigkeit zum Thema, sondern Typisches. Der Künstler blickt auf Rudimentäreres.